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Formel-1-Auslaufmodell war gestern

Wie Sainz bei Ferrari Leclerc in den Schatten stellt

18. September 2023 15:04
Carlos Sainz feierte in Singapur den zweiten Formel-1-Sieg seiner Karriere
Carlos Sainz feierte in Singapur den zweiten Formel-1-Sieg seiner Karriere
Foto: © IMAGO/HOCH ZWEI

Carlos Sainz galt vor nicht allzu langer Zeit noch als mögliches Formel-1-Auslaufmodell bei Ferrari nach seinem Vertragsende 2024. Das hat sich mit dem Sieg des Spaniers beim Singapur-GP geändert.

Die Formel 1, das ist nun wirklich eine Binsenweisheit, ist ein schnelllebiges Geschäft. Eines, in dem sich der Wind bisweilen so fix und so oft dreht wie bei einem Skispringen in Lahti.

Es ist noch gar nicht so lange her, da galt Carlos Sainz als so etwas wie der spanische Biedermeier der Formel 1.

Solide, ja, schnell, auch ja, urteilten Kritiker und Experten. Aber eben auch fehleranfällig und sowieso: Unterm Strich sei das Gesamtpaket Sainz nix allzu Besonderes, der Spanier vielmehr eine typische Ferrari-Nummer-2 hinter Scuderia-Prinz Charles Leclerc. Im Fahrerlager unkte mach einer schon, Sainz' Zeit bei den Roten ende Ende 2024, genau wie sein derzeit gültiger Vertrag.

Nun, all das dürfte sich in den vergangenen Wochen und endgültig mit dem Grand von Singapur gedreht haben. Beim Nacht-Grand-Prix auf dem Stadtkurs strahlte Sainz wie noch nie, lieferte das beste Formel-1-Wochenende seiner Karriere ab. Der 29-Jährige zeigte alles, was es braucht, um in der Formel 1 ein Weltklasse-Pilot zu sein: Pace, Übersicht, Ruhe und taktisches Geschick. Der Ferrari-Pilot wandelte in Singapur auf den Spuren von Größen wie Alain Prost, Fernando Alonso und Lewis Hamilton (Dominator Max Verstappen einfach mal auszuklammern, sei an dieser Stelle genutzt).

Den Grundstein für den zweiten GP-Sieg seiner Karriere legte Sainz schon am Samstag. Im Qualifying raste er auf Pole Position - hauchdünn vor Mercedes-Mann George Russell und seinem Garagen-Nachbarn Leclerc. Im teaminternen Duell setzte er damit die nächste Spitze: Schon beim Ferrari-Heimspiel in Monza hatte Sainz mit P1 die Tifosi in Herzkasper-Nähe getrieben und den Monegassen ausqualifiziert. 

In Singapur war Sainz' Husarenritt besonders wertvoll, sicherte ihm das strategisch beste Blatt. Sainz startete auf Medium-Pneus, während die Scuderia Leclerc einen Satz weiche Reifen verpasste, um beim Start dank des besseren Grips Russell im Mercedes zu kassieren - und um Sainz an der Spitze vor der Konkurrenz abzuschirmen. 

"Ich habe es mir in letzter Minute anders überlegt, um sicherzugehen, dass ich im ersten Stint vor George bin, denn es war klar, dass es für Carlos von Vorteil ist", erläuterte Leclerc nach dem Rennen und klang dabei recht gönnerhaft. Die Entscheidung dürfte aber von oben angeordnet gewesen sein, was Scuderia-Capo Fred Vasseur denn auch bestätigte: "Der Plan war es, Russell zu überholen, nicht Carlos. Wir wussten, dass die Position auf der Strecke in Singapur entscheidend ist, und die beste Möglichkeit, Carlos zu schützen, war es, Charles hinter ihm zu haben."

Formel 1: Charles Leclerc in Singapur chancenlos gegen Carlos Sainz

Nur, um das klarzustellen: Ferrari setzte Leclerc verständlicherweise als Schutzschirm ein, hätte anders herum genau das Gleiche gemacht. Aber anders herum, so wie Leclerc sich das vorstellt, war es nun mal nicht. Sainz hatte sich den Status als Option 1 verdient, er wurde ihm nicht geschenkt.

Dass Leclerc mit den schnell abbauenden Gummis einen starken ersten Stint hinlegte, soll nicht verschwiegen werden. Auch nicht, dass ihn eine frühe Safety-Car-Phase und ein strategisch nahezu alternativloser Doppel-Stopp der Roten zurückwarfen. Und doch: Der Mann, der den Anspruch hat, die klare Nummer 1 bei Ferrari zu sein, der schon lange als potenzieller Weltmeister gilt -, dieser Mann war in Singapur nie in der Lage, das Rennen aus eigener Kraft zu gewinnen.

Ferraris Trumpf für den ersehnten ersten Saisonsieg war seit Samstag Carlos Sainz, weswegen die roten Strategen Leclerc auch nach einer Virtual-Safety-Car-Phase lieber wieder als potenziellen Puffer auf der Strecke ließen, statt ein Risiko zu gehen. Sainz zahlte das Vertrauen auf der Strecke mit einer blitzsauberen Fahrt zurück. Der Spanier managte seine Walzen, zog an, wenn es nötig war und verteidigte seine Führung nach der Virtual-Safety-Car-Phase im letzten Renndrittel mit viel Finesse.

Geschicktes Verteidigen gegen Mercedes

Als die frisch bereiften Mercedes-Piloten aufschlossen, ließ Sainz den zweitplatzierten McLaren-Piloten Lando Norris schlitzohrig ins DRS-Fenster schlüpfen. Der Brite konnte seine Position so gegen George Russell und Lewis Hamilton verteidigen - und sicherte als Blocker gleichzeitig Sainz' Triumph.

"Ich habe mich unter Kontrolle gefühlt", sagte Sainz nach dem Sieg: "Ich habe immer gefühlt, dass ich die Luft und die Pace hatte, zu tun, was immer ich wollte." So souverän El Senor klang, so souverän brachte er den Singapur-Sieg nach 62 schweißtreibenden Runden nach Hause.

Die Reaktionen? Überschwänglich. Die spanische "as" sah eine "Verteidigung für die Geschichte", "El Pais" einen "Chirurgensieg", während "Tuttosport" aus Italien Sainz zum "König von Singapur" krönte. 

Der Triumph in Asien, aber auch die Leistungen in den vergangene Rennen, haben Sainz' Aktien bei der Scuderia gewaltig steigen lassen. In der WM liegt er bei noch sieben ausstehenden Rennen fast 20 Punkte vor Leclerc. Heißt: Sainz ist die rote Speerspitze im Kampf um Platz 3 und damit den Titel "Best of the Rest" hinter den Red-Bull-Fahrern. 

Leclerc dürfte grübeln - und langsam, aber sicher erkennen, dass er mit Sainz mehr als einen starken Nummer-2-Fahrer neben sich hat. Schon im Premierenjahr 2021 der beiden als Stallrivalen hatte Sainz den Monegassen im WM-Klassement hinter sich gelassen, im Vorjahr schlug Leclerc zurück, wurde Vizeweltmeister. Nun hat sich der Wind wieder gedreht.

Martin Armbruster

Fahrerwertung

#FahrerTeamPunkte
1NiederlandeMax VerstappenRed Bull Racing374
2MexikoSergio PérezRed Bull Racing223
3GroßbritannienLewis HamiltonMercedes AMG F1 Team180
4SpanienFernando AlonsoAston Martin F1 Team170
5SpanienCarlos SainzFerrari142

Singapur GP 2023

1SpanienCarlos Sainz1:46:37.418h
2GroßbritannienLando Norris+0.812s
3GroßbritannienLewis Hamilton+1.269s
4MonacoCharles Leclerc+21.177s
5NiederlandeMax Verstappen+21.441s

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