Eigentlich wollten die Arizona Cardinals mit Kyler Murray hoch hinaus. Doch zum Start der Saison 2023 muss man damit rechnen, dass der Star-Quarterback sein letztes Spiel für sein erstes NFL-Team bereits absolviert hat.
"Ich habe das Gefühl, dass die neue Führungsriege vom Start weg einen guten Job gemacht hat, Leute zur Verantwortung zu ziehen und in der generellen Führung der Organisation. Sie versuchen wirklich etwas von Grund auf Neues zu bauen", sagte Murray noch im Juli auf dem offiziellen YouTube-Kanal der Cardinals über die neue Teamführung um General Manager Monti Ossenfort und Head Coach Jonathan Gannon. "So wie wir gerade vorangehen und so wie ich mich fühle, ist alles möglich", zog Murray ein optimistisches Fazit.
Seither allerdings haben sich die Dinge in der Wüste gehörig verändert. Der schon damals erwartete Abgang von Wide Receiver DeAndre Hopkins (nach Tennessee) wurde vollzogen. Der hochtalentierte, aber dem Vernehmen nach mittlerweile eher unmutige Defensiv-Allrounder Isaiah Simmons ist auch weg (Giants) und Murray beginnt die Saison nach seiner schweren Knieverletzung im vergangenen Dezember auf der PUP (Physically Unable to Perform) List, womit er die ersten vier Saisonspiele verpassen wird.
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn die Cardinals planen allem Anschein nach nicht mehr wirklich im ihrem einstigen Top-Draft-Pick des Jahres 2019. Vorbei ist die Zeit des Aufbruchs, als der damals neue Head Coach Kliff Kingsbury seine Air Raid Offense in die NFL importieren und mit Murray an der Spitze eine neue Ära prägen sollte. Kingsbury wurde im Laufe der vergangenen Saison entlassen und nun drückt man eiligst den Reset-Button.
Arizona Cardinals: Auch Colt McCoy entlassen
Ein weiteres Indiz dafür: Anstatt die Saison so gut wie eben möglich anzugehen bis Murray zurück ist, wurde kurzerhand auch dessen langjähriger solider Backup Colt McCoy entlassen. Stattdessen gehen die Cardinals nun mit Veteran Josh Dobbs und Fünftrundenpick Clayton Tune in die Saison, was angesichts des sonstigen Personals wie das Hissen einer weißen Fahne wirkt.
Hinzu kommt eine Einschätzung des früheren NFL-Funktionärs (u.a. 49ers, Raiders, Browns, Patriots) und heutigen Podcasters und Autors Michael Lombardi, der auf die Struktur von Murrays Vertrag verweist. Auf dem Papier läuft dieser noch bis 2028 und hat ein Gesamtvolumen von 230 Millionen Dollar. Schon gezahlt sind davon etwas mehr als 71 Millionen, weiterhin garantiert sind jedoch Stand jetzt nur noch die zwei Millionen Dollar Gehalt für die anstehende Saison sowie 35,3 Millionen für die Saison 2024.
Würde man Murray also nach der Saison 2023 entlassen, müssten die Cardinals zwar sagenhafte 80 Millionen Dollar an sogenanntem Dead Money schlucken, würden aber in ihrer Salary-Cap-Berechnung nur rund 30 Millionen Dollar Miese machen - bei einem Trade wiederum sinken diese Zahlen auf 46 Millionen und 5,6 Millionen, was dieses Szenario sehr wahrscheinlich macht. Auch, um noch ein paar Draftpicks als Kompensation einzusacken.
Das große Aber ist jedoch - und darauf wies Lombardi in seinem Podcast "GM Shuffle" sowie bei seinem Auftritt in der "Pat McAfee Show" hin: Im Falle einer schweren Verletzung wären Murray sogar noch 29,9 Millionen Dollar 2025 und 26,8 Millionen Dollar 2026 garantiert. Damit dieser Fall eintritt, müsste Murray nur beim Medizincheck im kommenden März durchfallen. Und um das zu verhindern, steht die Vermutung im Raum, dass die Cardinals Murray in dieser Saison gar nicht einsetzen.
Arizona Cardinals: Ohne Murray zum Top-Pick im NFL Draft 2024?
Abgesehen davon würde ein kompletter Ausfall Murrays auch die sportlichen Chancen des Teams in diesem Jahr merklich verringern, was wiederum jene auf den ersten Pick im Draft erhöhen würde. Der große Preis des kommenden Drafts ist mit USC-Quarterback Caleb Williams der ideale Spieler, um als Franchise komplett neu anzufangen.
Und selbst wenn sich jener wider Erwarten nicht für die vorzeitige Meldung zum Draft entschließen sollte - er ist Junior, hätte also noch ein Jahr am College - dürfte die kommende Draftklasse einige vielversprechende Quarterbacks bereit halten.
Ein Verbleib von Murray ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil er eben die Phase seiner Karriere erreicht hat, in der er teuer wird. Ein Rookie hingegen wäre erstmal wieder vier Jahre günstig zu haben, was dabei helfen könnte, das Team um ihn herum hochklassig aufzustellen.
In jedem Fall droht Anhängern Arizonas eine lange Saison, die durch diese zukunftsträchtige Entscheidung gegen Murray wohl zäher wird als zunächst gedacht.
Marcus Blumberg