Bereits fünfmal konnte Alexander Zverev ein Masters-Turnier gewinnen, zweimal krönte er sich im Duell mit den Besten der Besten bei den ATP Finals zum Tennis-Weltmeister und bei den Olympischen Spielen 2020 gewann der Deutsche die Goldmedaille im Einzel. Ein Grand-Slam-Titel kann die Vita des Hamburgers allerdings noch nicht aufweisen. Blickt man auf die Statistiken des 26-Jährigen stellt sich die Frage: Warum eigentlich nicht?
Bei den French Open 2022 trumpfte Alexander Zverev groß auf, gab auf dem Weg ins Viertelfinale nur zwei Sätze ab und schaltete in der Runde der letzten Acht den spanischen Überflieger Carlos Alcaraz in vier Sätzen aus.
Er schien vor dem Halbfinale gegen Roland-Garros-Rekordsieger Rafael Nadal auf dem besten Weg, den ganz großen Coup endlich zu meistern - dann folgte der bis dato größte Einschnitt in der Karriere der deutschen Nummer eins.
Beim Stande von 6:7 und 6:6 knickte Zverev mit dem rechten Fuß um, schrie auf und musste das Match mit einem mehrfachen Bänderriss beenden. Es folgte eine lange Leidenszeit, ein Absturz in der Weltrangliste und der bislang holprige Weg zurück.
Ausgerechnet ein Jahr nach der Verletzung, bei den French Open 2023, scheint Zverev plötzlich wieder in der Lage zu sein, sein bestes Spiel abzurufen. Was spricht dafür, dass der Knoten bei einem der vier größten Turniere der Tennis-Welt endlich platzt?
Zverev-Statistiken lassen aufhorchen
Die ATP führt Zverev mit einer Grand-Slam-Bilanz von 72:28 Siegen und ergo einer Erfolgsquote von 72 Prozent. Damit belegt der DTB-Star in der Geschichte ATP den 64. Platz und toppt unter anderem Ex-Wimbledon-Sieger Michael Stich, den zweifachen French-Open-Gewinner Sergi Brugera, Stan Wawrinka aus der Schweiz (3 Grand-Slam-Siege), Frankreich-Legende Yannick Noah (1 Grand-Slam-Sieg) oder die ehemaligen Weltranglisten-Ersten Gustavo Kuerten (3 Grand-Slam-Siege), Marat Safin (2 Grand-Slam-Sieg), Ilie Nastase (2 Grand-Slam-Siege), Lleyton Hewitt (2 Grand-Slam-Siege), Juan Carlos Ferrero (1 Grand-Slam-Sieg) und Carlos Moya (1 Grand-Slam-Sieg).
Damit aber nicht genug: Dass die Drei-Gewinnsatz-Schlachten auf dem Weg zu einem Grand-Slam-Titel auch im Kopf entschieden werden, ist kein Geheimnis. Dass er psychisch in der Lage ist, auf der ganz großen Bühne mitzuhalten, untermauern Zverevs Statistiken.
Von 64 Tie-Breaks bei den vier großen Turnieren verlor Zverev gerade einmal 21 (Siegquote: 69,6). Von 26 Fünfsatz-Duellen bei Grand Slams verlor Zverev nur neun.
Dieser Makel steht Alexander Zverev noch im Weg
Auffallend allerdings: Fünfmal musste Zverev gegen Spieler aus den Top 10 über fünf Sätze gehen, fünfmal verließ er den Court mit leeren Händen. Darunter die schmerzliche Pleite im US-Open-Finale 2020, als Zverev eine 2:0-Satzführung gegen Dominic Thiem verspielte.
Damit aber nicht genug der Makel: Der Sieg gegen Alcaraz im Viertelfinale von Paris 2022 ist Zverevs einziger Erfolg gegen einen Spieler aus den Top 10 bei einem Grand Slam.
Und das, obwohl der Norddeutsche, der die ATP-Finals der besten acht Akteure des Jahres immerhin zweimal gewinnen konnte, eine der besten Bilanzen gegen Top-10-Akteure aller Aktiven hat: Mit einer Siegquote von 43,8 Prozent belegt Zverev in der Geschichte der ATP derzeit Rang 22, von den derzeit auf der Tour spielenden Assen sind nur Daniil Medvedev (50 Prozent), Andy Murray (53 Prozent), Rafael Nadal (64,6 Prozent) und Novak Djokovic (69 Prozent) besser.
Dieser Wert dürfte auch der Grund dafür sein, dass Zverev noch nicht ans Ziel seiner Träume gelangt ist. Zum Vergleich: Die deutsche Tennis-Legende Boris Becker (6 Grand-Slam-Siege) ist mit einer Quote von 65,1 Prozent die Nummer drei im ewigen Ranking.
Apropos Becker: Ende April betonte Zverev im Interview mit der deutschen Ausgabe von "Sports Illustrated", dass er weiterhin fest im Visier hat, der erste deutsche Grand-Slam-Sieger seit dem wohl besten Spieler der DTB-Geschichte zu werden.
"Der Traum vom Grand-Slam-Gewinn lebt weiter. Ich tue alles dafür, das zu schaffen", so Zverev, der einen seiner Titel allerdings noch höher einschätzt: "Ich bleibe aber auch dabei: Das größte Tennis-Turnier, das es zu gewinnen gibt, ist das bei den Olympischen Spielen."
Ein Urteil, das bei einem Erfolg in Roland Garros 2023 wohl mächtig ins Wanken geraten könnte.
Marc Affeldt