Der NFL-Draft 2023 ist beendet. 259 Nachwuchsspieler werden von den Teams ausgewählt, der Allerletzte bekommt dabei besonders viel Aufmerksamkeit. "Mr. Irrelevant" ist in diesem Jahr Desjuan Johnson. Für zwei deutsche Football-Hoffnungen gibt es ein Happy End.
"Mr. Irrelevant" - das steht auf dem Trikot, das der letzte Pick im NFL-Draft bekommt. Eine fies anmutende Wortwahl - schließlich will wohl niemand als irrelevant gelten. Schon erst recht kein Nachwuchs-Footballer, der von der ganz großen Karriere träumt. Doch die Vergabe des Trikots ist - wie alles beim Draft - mit Spektakel versehen, das Aufsehen um den Letzten ist ungleich größer als um den Vorletzten. Also ist die Wahl doch eine Ehre.
Diese wird in diesem Jahr Desjuan Johnson zuteil, der Defensive Linesman wird von den Los Angeles Rams an 259. und damit letzter Position ausgewählt. Der 1,90 Meter große und 120 Kilogramm schwere Mann spielte zuvor für die Toledo Rockets und ist glücklich, ausgewählt worden zu sein.
Auf die Frage, ob es etwas Einzigartiges sei, als "Mr. Irrelevant" ausgewählt worden zu sein, sagte er: "Alles ist einzigartig. Einfach nur ausgewählt zu werden, letzter Pick, erster Pick, mittlerer Pick, alles ist einzigartig."
Dem General Manager der Rams, Les Snead, war laut eigener Aussage gar nicht klar, dass er gerade den letzten Pick gewählt hatte, denn die Anzahl schwankt immer etwas, im vergangenen Jahr wurden 262 Spieler gedraftet. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir das jemals gemacht haben, also war das irgendwie lustig", so Snead.
Metz und Kilian unterschreiben in der NFL
Johnson war der Letzte, der gewählt wurde. Er hatte das Glück, gedraftet zu werden, viele andere Nachwuchsspieler gingen dagegen leer aus. Von den 259 Spielern kommen nur sieben aus dem Ausland. Auch die Deutschen Kilian Zierer, Lorenz Metz und Marlon Werthmann gingen im Draft leer aus. Doch für Zierer und Metz könnten sich die Träume von der Profikarriere weiterhin erfüllen. Die beiden unterschrieben nach dem Draft bei Teams.
Metz hat sich den Chicago Bears angeschlossen, wie dessen bisheriges College-Team Cincinnati Bearcats bekannt gab. Metz, der aus Neuötting in Bayern stammt, schrieb bei Twitter: "Ich kann es kaum erwarten, an die Arbeit zu gehen. Ich fühle mich so glücklich, diese Möglichkeit zu bekommen."
Zierer hat bei den Houston Texans unterschrieben, sagt er "RTL" im Interview. "Ich bin damit sehr glücklich." Der 23-Jährige spielte seit 2020 für die Auburn Tigers in der besten College-Liga. Nun verlagert sich sein Leben nach Houston, wo es zunächst mit dem Rookie-Camp für ihn weitergeht. Zuvor hatte der gebürtige Münchner im "RTL"-Interview von seinem Traum gesprochen, dass der dritte Draft-Tag ein "sehr langer, sehr spannender und sehr nervöser Tag" für ihn werde. Jetzt musste er sogar noch länger ausharren - mit Happy End.
"Mein Ziel ist, eines Tages ein NFL-Starter zu sein", hatte er gesagt. Zudem bekannte er, dass der heutige RTL-Experte und frühere Super-Bowl-Champion Sebastian Vollmer sein "größtes Vorbild" ist. "Als Deutscher sieben Jahre Starter, zweimal Super Bowl gewonnen", schwärmte er von dessen Karriere-Leistungen.
Die beiden werden sich in der Saisonvorbereitung erst noch für einen festen Vertrag für die kommende Spielzeit empfehlen müssen. Sowohl die Texans als auch die Bears verpassten in der vergangenen NFL-Saison deutlich die Playoffs, mit jeweils drei Siegen waren sie die schwächsten Teams der amerikanischen Football-Liga.
Purdy glänzt als "Mr. Irrelevant" in der NFL
Für Desjuan Johnson sind die Voraussetzungen nur etwas besser. Aber wer weiß, vielleicht wird aus "Mr. Irrelevant" schon bald wieder "Mr. Relevant", Johnson hat da ein Vorbild direkt vor Augen. Denn in der vergangenen Saison war Quarterback Brock Purdy der letzte Pick des Drafts.
Bei den San Francisco 49ers übernahm er nach nur einer Woche den Job als Stammspieler, weil erst Trey Lance und dann auch noch Jimmy Garoppolo verletzt ausfielen. Purdy war plötzlich der erste "Mr. Irrelevant", der einen Pass warf, der einzige in der Ära des Drafts seit 1967, der als Quarterback ein Playoff-Spiel begann und gewann.
Er setzte die Siegesserie der 49ers fort und trug dazu bei, dass sie das NFC Championship Game erreichten. Die Fans überklebten spontan das IR bei "Irrelevant" und so wurde Purdy zu "Mr. Relevant". Doch das Verletzungspech des Teams traf auch Purdy, der sich im Meisterschaftsspiel gegen die Philadelphia Eagles einen Riss des ulnearen Seitenbandes im Ellbogen seines Wurfarms zuzog.
Bis zum Halbfinale waren Purdy und die Eagles ungeschlagen geblieben, erst die 7:31-Niederlage war Purdys erste Pleite in neun NFL-Spielen. Purdy muss mindestens sechs Monate pausieren - ein Märchen mit einer Bruchlandung.
Doch auch die sonstigen "Mr. Irrelevant" können Johnson Hoffnungen machen. Die letzten zehn haben laut "ESPN" jeweils mindestens ein Spiel in der NFL bestritten. In der vergangenen Saison haben vier zuletzt im Draft ausgewählte in der Liga gespielt.
Johnson freut sich auf seine Zeit bei den Rams: "Ich bin sehr gesegnet. Ich bin gesegnet, dass Gott mich ausgewählt hat, und ich bin gesegnet, dass ich weiterhin das Spiel spielen kann, das ich liebe, und ich werde dort oben auf dem Feld und im Training alles geben."
Golf und Disneyland nach dem NFL Draft
Die Aufmerksamkeit ist Johnson gewiss. Ganz nebenbei gibt es noch etwas, das die Wahl als "Mr. Irrelevant" ziemlich angenehm macht: Jedes Jahr wird er mit seiner Familie nach Newport Beach in Kalifornien eingeladen. Eine Woche lang Golf spielen, Disneyland und Wohltätigkeitsorganisationen besuchen, an einer Segelregatta teilnehmen, ein Baseball-Spiel besuchen. Die sogenannte "Irrelevant Week" wurde 1976 vom früheren NFL-Spieler Paul Salata ins Leben gerufen.
"Wir haben die Irrelevant Week ins Leben gerufen, um eine wichtige Botschaft zu vermitteln: Es ist kein Nachteil, als Letzter im NFL Draft ausgewählt zu werden, sondern vielmehr eine Ehre, überhaupt ausgewählt zu werden", heißt es auf der Wochen-Website von Salata.
"Die Demonstration des Durchhaltevermögens des letzten Draft Pick ist eine Lektion, die nicht nur bei NFL-Spielern und Fans, sondern bei Menschen auf der ganzen Welt ankommt." In der Festwoche wird der Außenseiter des Footballs geehrt und gleichzeitig werden Spenden gesammelt, mehr als eine Million Dollar kommen dabei jedes Jahr zusammen. Auf Johnson wartet also nicht nur viel Training und das Warten auf einen Einsatz - sondern auch ziemlich viel Spaß.
Anja Rau