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Schach-WM
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Der beste Spieler der Welt als Zuschauer

Wie Magnus Carlsen die Schach-WM torpediert

18. April 2023 13:36
Jan Nepomnjaschtschi und Ding Liren kämpfen bei der Schach-WM in Astana um das Erbe von Magnus Carlsen
Jan Nepomnjaschtschi und Ding Liren kämpfen bei der Schach-WM in Astana um das Erbe von Magnus Carlsen
Foto: © IMAGO/Sylvia Lederer

Jan Nepomnjaschtschi und Ding Liren liefern sich bei der Schach-Weltmeisterschaft in Astana einen hochinteressanten und abwechslungsreichen Showdown um den Titel. Das Interesse außerhalb der Szene hält sich jedoch in Grenzen. Das bringt den Weltverband FIDE in die Bredouille.

Wie viel ist eine Schach-Weltmeisterschaft wert, wenn der mit Abstand beste und bekannteste Spieler der Welt nicht teilnimmt? Zumindest außerhalb der Szene lautet die Antwort: nicht viel. So sehr das Duell zwischen Nepomnjaschtschi und Ding die Schach-Welt fasziniert, so klein ist die Rolle, die es abseits einnimmt. Das Fehlen von Magnus Carlsen spielt dabei die Hauptrolle. 

"Garry Kasparov hat gesagt, dass eine WM ohne Carlsen keine WM ist. Das ist schade für das Publikum, aber es ist ein Produkt, das weniger Wert hat", schilderte Espen Olsen, Sportchef des norwegischen TV-Senders "NRK", der Zeitung "Verdens Gang" das Dilemma, in dem die WM und der Weltverband FIDE stecken. 

Obwohl Schach dank Carlsen in den letzten Jahren in Norwegen zu einer der populärsten TV-Sportarten geworden ist, entschied sich "NRK" in diesem Jahr gegen eine Übertragung der WM. Für die Zuschauer sei es ohne den besten Spieler der Welt einfach "weniger attraktiv", begründete Olsen diesen Entschluss.

Deutlich zu spüren ist das geringere Interesse auch in deutschen Medien. So verzichtet etwa der für seine Schach-Berichterstattung bekannte "Spiegel" auf eine ausführliche Begleitung der Partie. Und auch in anderen europäischen Medien läuft das Match zwischen dem Chinesen und dem Russen unter dem Radar. 


Mehr dazu: Verband gibt Update im Schach-Skandal um Magnus Carlsen


"Die WM verliert viel Prestige, wenn der beste Spieler der Welt nicht da ist. Es spielt keine Rolle, wer gewinnt, ein anderer Spieler ist der beste", urteilte der norwegische Schach-Experte Torstein Bae gegenüber "VG". Die Abstinenz Carlsens lasse die WM "in einem ganz anderen Licht dastehen", sagte er. 

Bae sieht mit Blick auf die Zukunft der Weltmeisterschaft sogar eine "große Ungewissheit. Was passiert mit einer WM, wenn man weiß, dass es bessere Spieler gibt als die, die gerade teilnehmen?", stellte er eine Frage in den Raum, auf die vor allem der Weltverband eine Antwort finden muss. 

Nur: Einen Vorwurf kann man der FIDE in dieser für sie unbequemen Situation kaum machen. Der Verband kann nichts dafür, dass Magnus Carlsen sich zurückgezogen hat. Und der Verband kann auch nichts dafür, dass sich mit Nepomnjaschtschi und Ding zwei Spieler qualifiziert haben, denen die ganz große Strahlkraft fehlt.

Deutlich größer wäre das Interesse zweifellos, wenn sich ein Spieler wie US-Großmeister Hikaru Nakamura qualifiziert hätte. Der 35-Jährige ist neben Carlsen der populärste Spieler der Welt. Auf den Plattformen Youtube und Twitch folgen ihm mehrere Millionen Menschen, seine Analysen und Clips gehen regelmäßig viral.

Bae vertritt die These: Würden sich Carlsen und Nakamura in diesen Tagen einen Wettkampf liefern, würden diesen selbst innerhalb der Schach-Szene mehr Menschen verfolgen, als die WM zwischen Nepomnjaschtschi und Ding. Dagegen lässt sich nur schwer argumentieren.

Nicht sonderlich hilfreich war in diesem Zusammenhang ein Kommentar, den der Norweger an den ersten Tagen der Weltmeisterschaft abgab. Dort sagte Carlsen, es sei ihm "egal", wer Weltmeister wird. Wie diese Aussage bei der FIDE angekommen ist, kann man sich denken. 

Magnus Carlsen "würde beide ziemlich locker schlagen"

Laut Weltrangliste zählen Nepomnjaschtschi und Ding aktuell zu den drei besten Spielern der Welt. Doch dieser Welt ist Magnus Carlsen mit seinen Erfolgen in den letzten Jahren entwachsen. Der Norweger ist so viel besser als seine Konkurrenten, dass es unmöglich ist, ihn überhaupt mit einem Spieler aus seiner Generation zu vergleichen. Die WM 2023 leidet darunter. 

Beide Herausforderer zeigen zweifellos brillantes Schach, allerdings leisten sich beide auch regelmäßig grobe Fehler. Das führt zu einem höchst abwechslungsreichen und unterhaltsamen Duell. Die faszinierende Unfehlbarkeit eine Magnus Carlsen geht sowohl Nepomnjaschtschi als auch Ding jedoch ab. Genau jene Unfehlbarkeit machte die WM-Partien des Norwegers aber auch über die Schach-Grenzen hinaus für die Menschen interessant. 

Wie viel besser der Norweger als seine möglichen Thronfolger ist, lässt sich nur schwer beziffern. Großmeister Daniil Dubov sieht allerdings einen Klassenunterschied. "Wenn man Magnus einen Tag lang schlafen lässt, würde er beide ziemlich locker schlagen", sagte er vor Beginn der WM. Ein flapsiger Spruch, in dem zum Leidwesen des Sports und der WM viel Wahres steckt. 

Christian Schenzel

Russland
Jan Nepomnjaschtschi
J. Nepomnjaschtschi
7.0
China
Ding Liren
D. Liren
7.0
So, 30.04.
Beendet

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