Die ersten zwei Partien der Schach-Weltmeisterschaft zwischen Ding Liren und Jan Nepomnjaschtschi sind gespielt. Trotz stundenlanger Live-Streams bekamen die Zuschauer die beiden Protagonisten allerdings nur selten zu Gesicht. Dafür werden die beiden Hauptdarsteller unter anderem von anderen Schach-Profis kritisiert.
Wer an den ersten beiden Tagen einen der zahlreichen Live-Streams zur Schach-WM 2023 eingeschaltet hat, wurde nicht selten mit einem Blick auf das Brett und zwei leere Stühle belohnt. Statt sich auf der Bühne gegenüber zu sitzen, zogen sich Ding Liren und Jan Nepomnjaschtschi über weite Teile der Begegnung in ihre Ruheräume zurück, um über die Stellung und ihre nächsten Züge nachzudenken. Nachvollziehbar, aber natürlich nicht im Sinne der Zuschauer.
"Die Spieler sitzen fast nie gleichzeitig am Brett und verbringen zu viel Zeit in ihren eigenen Räumen. Weltweit schalten Fans ein, um zwei leere Stühle zu sehen", beklagte sich unter anderem die Großmeisterin Susan Polgar, die diesen Umstand als "sehr nervig" bezeichnete.
Auch Superstar Anish Giri, der die WM für den Weltverband FIDE kommentiert, konnte sich einen spitzen Kommentar in Richtung Nepo und Ding nicht verkneifen. Der Niederländer schrieb angesichts der leeren Bühne auf Twitter: "Beim nächsten WM-Match sollten sie Throne statt Stühle haben und es 'Game of Thrones' nennen".
Spott gab es darüber hinaus auch von Großmeister Hikaru Nakamura. Der US-Amerikaner, der die WM-Partien in seinen eigenen Streams ausführlich analysiert, kommentierte auf Twitter: "Findet noch jemand die WM der Stühle faszinierend?"
"Es ist total anders, am Brett nachzudenken"
Trotz der Kritik wird sich am Status quo wohl nichts ändern, denn: Beide Spieler handeln im Rahmen der Regeln. Nirgends steht geschrieben, wie lange sie pro Partie auf der Bühne sitzen müssen. Theoretisch müssen sie nur ans Brett kommen, um ihren Zug auszuführen. Danach können sich wieder zurückziehen.
Ding deutete nach der zweiten Partie an, dass er das wohl auch künftig so handhaben wird. Im Ruheraum zu sitzen, erinnere ihn an das Online-Spiel. "Es ist total anders, am Brett nachzudenken", sagte er, der sich an das Spiel in den eigenen vier Wänden während der Pandemie gewöhnt hat.
Nepomnjaschtschi stimmte ihm zu. "Es erinnert mich an diese Covid-Online-Zeiten", sagte der Russe, der das Nachdenken im Ruheraum als "bequem" bezeichnete. "Ich finde auch nicht, dass es Einschränkungen geben sollte."
Schon in seiner letzten WM-Partie 2021 gegen Magnus Carlsen habe er viel Zeit im Ruheraum verbracht, erinnerte sich Nepo. "Das allerdings vor allem, weil ich viel gegessen habe. Und ich konnte mich nicht von meinen Snacks trennen", scherzte er.