Die Diskussion über psychische Gewalt im deutschen Frauenhandball ist in vollem Gange - und könnte Konsequenzen haben.
Für Emily Bölk ist die Sache klar. Angesichts der erschreckenden Vorwürfe psychischer Gewalt darf es ein "Weiter so" im deutschen Frauen-Handball nicht geben.
"Ich finde es extrem wichtig, dass diese Präsenz, die das Thema vor allem medial bekommen hat, genutzt wird, um eine Sensibilität zu schaffen", sagt die Nationalmannschaftskapitänin und fordert eine "Kultur des Hinsehens".
Vereine und Verbände "und auch der DHB" müssten Untersuchungen und Aufarbeitung durchführen, "um zu schauen, wie zukünftig solche Fälle frühzeitig und besser gelöst werden können", fordert Bölk im Gespräch mit dem "Sport-Informations-Dienst".
Die Anschuldigungen von Mia Zschocke und Amelie Berger, zwei ihrer Mitspielerinnen, gegen einen langjährigen Bundesliga- und Verbandstrainer hatten ein schweres Beben ausgelöst. Von Machtmissbrauch in übelster Form ist die Rede, der "Spiegel" schrieb von Psychoterror und Systemversagen.
"Es wird wichtig sein, das gründlich aufzuarbeiten und wirklich zu schauen: Wo können wir das System verbessern?", sagt Bölk nun. Es sei "sehr wichtig, dass externe Personen und Beratungsstellen involviert sind". Zschocke hatte über ein Gespräch mit DHB-Sportvorstand Axel Kromer berichtet, in dem sie "klar gesagt" habe, "dass man eine externe, neutrale Person braucht, um Kritik zu äußern". Jedem sollte bewusst sein, "dass bei so einer Aufarbeitung oft eine neutrale Instanz benötigt wird, um eine gewisse Neutralität zu wahren".
Beim Deutschen Handballbund, der den beschuldigten Trainer bis Ende August drei Jahre lang auf Honorarbasis als U20-Nationalcoach beschäftigt hatte, hielt man sich am Mittwoch bedeckt. Einer Bitte um Stellungnahme kam der Verband nicht nach und verwies auf sein Statement von Montag. Anfang der Woche hatte der DHB mitgeteilt, die Vorwürfe "sehr ernst" zu nehmen, das eigene Vorgehen "kritisch" zu hinterfragen und seine Prozesse zu überprüfen.
Zschocke, die den Fall mit Berger durch ihre Kündigung bei Borussia Dortmund Anfang September ins Rollen gebracht hatte, geht das nicht weit genug. Das DHB-Statement sei "zu kurz", sagte Zschocke, die sich zuvor schon an die Anlaufstelle gegen Gewalt im Sport gewendet hatte: "Wenn man sich öffnet, muss man einen Seelenstriptease betreiben, das ist nicht einfach. Da man sich häufig in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, kann man nicht offen darüber sprechen."
Aus der Liga gibt es einen konkreten Vorschlag, um ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Peter Prior, Geschäftsführer des Buxtehuder SV, regte zur "Hilfe und Unterstützung für Trainer" etwa "ein Coaching mit einem Psychologen" an: "Das ist in der Wirtschaft durchaus nicht unüblich."
Bölk hält den Vorstoß "grundsätzlich" für eine Idee, "die auf jeden Fall weiterverfolgt werden sollte. Der mentale Faktor spielt im Handball und generell im Sport eine extrem wichtige Rolle." Für die betroffenen Spielerinnen wolle man als Nationalmannschaft "einen Safe Place" darstellen.