Noch bevor der Betrugsskandal rund um Hans Niemann und Weltmeister Magnus Carlsen lückenlos aufgeklärt ist, wird die Schach-Welt erneut von einem Eklat heimgesucht. Urheber diesmal: Der Weltverband FIDE, der die Suspendierung von Putin-Freund Sergey Karjakin am Sonntag aufhob. Der Ärger darüber ist groß.
"Disqualifikation beendet", schrieb Sergey Karjakin am Sonntag zu einem Bild, das er auf Twitter postete. Dabei trug der Russe ein Shirt mit der Aufschrift "Putin Team".
Der Schach-Weltverband FIDE hatte den Großmeister vor einem halben Jahr aus dem Verkehr gezogen, nachdem er den russischen Angriffskrieg in mehreren Statements befürwortete und nachweislich Lügen über die ukrainische Regierung verbreitete. Diese Sperre lief nun aus.
Dass Karjakin, der ein freundschaftliches Verhältnis zu Vladimir Putin pflegt, die Propaganda des Kreml auch in den letzten sechs Monaten ununterbrochen verbreitete, stört die FIDE offenbar nicht. "Das zeigt einfach nur, dass Russland die FIDE in der Tasche hat", ärgerte sich der norwegische Schach-Experte Atle Grønn gegenüber "NRK" über die Begnadigung Karjakins.
Berit Lindeman, Generalsekretärin des norwegischen Helsinki-Komitees, sagte über Karjakins provokatives Bild im "Putin Team"-Pullover: "Das ist ein Mittelfinger von Karjakin!"
Die Entscheidung der FIDE, den Russen wieder zu internationalen Turnieren zuzulassen sei "absolut verwerflich. Er ist ein öffentlicher Unterstützer des Krieges". Nach dieser Begnadigung sei es schwer, "die FIDE noch ernst zu nehmen".
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Obwohl Karjakin jetzt wieder offiziell an internationalen Turnieren teilnehmen darf, ist es eher unwahrscheinlich, dass er dies auch tun wird. Der Grund: In einer Nachricht auf seinem Telegram-Kanal sagte der 32-Jährige, er werde nur dann an den Start gehen, wenn er unter russischer Flagge antreten darf. Dies ist jedoch nach wie vor verboten.
Russische Spielerinnen und Spieler müssen Stand heute weiter unter neutraler Flagge an internationalen Events teilnehmen. Ob der Weltverband seine Meinung auch darüber ändert, bleibt abzuwarten.
Der Ärger über Karjakins Begnadigung ist derweil nicht nur in Norwegen groß. Auch zahlreiche Fans reagierten mit Kopfschütteln auf die Entscheidung der FIDE.
Viele verspotteten Karjakin in den sozialen Medien und schrieben Kommentare wie: "Gerade rechtzeitig für die Mobilisierung. Als leidenschaftlicher Patriot, hast du dich sicher schon im Büro der Behörden gemeldet. Oder ist das 'Z' für dich eher eine theoretische Sache?" Ein andere User meinte: "Auf geht's zur Front, Sergey. Viele junge Männer in Russland werden gezwungen, in den Tod zu gehen. Kannst Du zuhause bleiben?"
