Nach dem Halbfinal-Aus von Alexander Zverev bei den French Open bestimmte die schwere Fußverletzung der deutschen Nummer eins tagelang die Schlagzeilen. Tennis-Ikone Michael Stich hat nun eine Analyse der sportlichen Leistung Zverevs im Match gegen Rafael Nadal unternommen und dabei nicht mit kritischen Worten gespart.
Bis zum 6:7 und 6:6 zeigte sich Alexander Zverev mindestens als ebenbürtiger Gegner im Halbfinale gegen den Sandplatz-König Rafael Nadal, der zwei Tage später seinen 14. Triumph bei Roland Garros feiern sollte.
Der 24-Jährige hatte sogar mehrere Gelegenheiten, den Spanier in Verlegenheit zu bringen. Die größten Chancen ließ Zverev im Tie-Break des ersten Satzes liegen, als er bei der 6:2-Führung gleich vier Satzbälle vergab und den ersten Satz sogar noch verlor.
"Er führt im Tie-Break mit 6:2 und spielt immer das gleiche und greift immer wieder mit dem gleichen Ball an. Alexander führt im zweiten Satz mit 5:4, serviert und macht drei Doppelfehler. Wir reden hier über die Nummer drei der Welt", meinte Michael Stich im "Sky"-Tennispodcast, den er gemeinsam unter anderem mit Patrik Kühnen, Ex-Teamchef der deutschen Davis-Cup-Mannschaft, betreibt.
In den wichtigsten und letztlich Match-entscheidenden Momenten nicht voll fokussiert und fehlerfrei da zu sein, habe bis zum verletzungsbedingten Aus des Deutschen nach bereits 3:13 gespielten Stunden den Unterschied zwischen Zverev und Nadal ausgemacht, betonte der Ex-Wimbledon-Sieger Stich.
"Was ist es, was da fehlt? Was passiert im Kopf von der Nummer drei der Welt?", formulierte der 53-Jährige kritischen Fragen in Richtung Zverev.
Der Blick auf die sportliche Performance war nach der schlimmen Fußverletzung Ende des zweiten Satzes und der erzwungenen Aufgabe in den Hintergrund getreten. Am Dienstag hatte sich Zverev selbst via Instagram zu Wort gemeldet und über seine bereits erfolgte Operation informiert.
Deutschlands Tennis-Idol Michael Stich blieb in seiner Analyse aber beim zuvor gezeigten Spiel Zverevs gegen Rekordchampion Rafael Nadal: "Dass er in so einer Situation drei Doppelfehler serviert: Das darf doch nicht passieren!"
Stich weiß dabei selbst am besten, wovon er spricht. Erinnert sei an die legendäre Halbfinal-Partie im Davis Cup gegen den Russen Andrei Chesnokov, als er im Jahr 1995 unglaubliche neun Matchbälle verschlug und am Ende noch verlor.
"Ich habe versagt. Das war nicht die schlimmste, aber die schmerzhafteste Niederlage meiner Karriere. Als Menschen und Tennisspieler wird dieses Match mich immer prägen. Ich wusste nicht, wie brutal Sport sein kann", hatte Stich danach über dieses unvergessene Match in Moskau gesagt.
Die verbreitete Annahme, dass alleine die Tatsache, bei den French Open gegen den besten Sandplatzspieler aller Zeiten zu spielen, schon für Verunsicherung bei Zverev gesorgt haben könnte, wollte Stich bei der jüngsten Zverev-Pleite am letzten Freitag derweil nicht gelten lassen.
"Ich finde, diese These ist eine schöne Ausrede, um sich das schönzureden, warum man so ein Match am Ende des Tages nicht gewinnt. Alexander hat zu Beginn des Matches großartiges Tennis gespielt, wirklich. [...] Er spielt dann beim 4:3 ein Aufschlagspiel, das für die Tonne ist! Ein Leistungsabfall von 100 Prozent auf 50 Prozent. Und das hat nichts mit Nadal auf der anderen Seite zu tun!", so die einstige Nummer zwei der Welt.
Er machte die fehlende mentale Stabilität beim Hamburger als eine der Hauptursachen aus, warum er in beiden Sätzen gegen Nadal einen Vorsprung noch aus der Hand gab und bis zu seiner Verletzung ins Hintertreffen geriet.
Die mentale Komponente führte Stich gleichzeitig als Grund an, warum neben Zverev auch eine ganze Reihe anderer jüngerer Tennis-Stars es auch 2022 nicht schafft, Rafael Nadal oder Novak Djokovic in den entscheidenden Momenten zu bezwingen: "Das ist genau der Grund, warum es die junge Generation seit 15 Jahren nicht schafft, die Alten vom Thron zu stoßen. Und das hat man in den zwei Sätzen gesehen!"
Die junge Generation um Zverev, Stefanos Tsitsipas oder auch den unterlegenden Final-Kontrahenten Casper Ruud stünde sich laut Stich "selber im Weg": "Es ist nicht nur so, dass Nadal die Spiele gewinnt, sondern auch, dass die jungen Spieler das Ding verlieren."