Dem FC Bayern und der Fußball-Bundesliga droht der Verlust des letzten Superstars. Robert Lewandowski will nicht mehr. Noch kämpft der deutsche Rekordmeister um ihn, doch eine Zukunft in München ist nicht mehr vorstellbar. Böse Erinnerungen werden wach.
Formel-1-Boxengasse in Monaco am Sonntag, Robert Lewandowski ist auch da. Er steht bei Aston Martin. Der Stürmer des FC Bayern bereitet seinen Abgang vor, kündigt für die nächsten Tage neue Informationen an.
Schon da hat die Transfer-Saga das beinahe höchste Level erreicht. Jede Meinung eines Experten hat die größte Relevanz.
Der drohende Verlust eines Top-Stars ist beim VfL Bochum ein lokales Thema, aber bei Bayern München eben eines von höchster nationaler Bedeutung. Die Bayern spalten das Land.
Es gibt die, die den Verein lieben und gegen alles verteidigen, und die, die kaum mehr als Verachtung für den Giganten des deutschen Fußballs haben. Liebe und Hass als Antrieb.
Das funktioniert im Fußball wie im Leben. Und im Fußball hat der FC Bayern über Jahrzehnte perfektioniert.
Höchste Eskalationsstufe beim FC Bayern
Einen Tag später passiert es dann. Die Transfer-Saga erreicht die beinahe höchste Eskalationsstufe. Aber jetzt geht nur noch Streik. Robert Lewandowski trennt sich von den Bayern, zumindest mit Worten.
Nach Wochen des Schweigens, des Sprechens durch seinen Berater, wird der Pole deutlich.
"Meine Geschichte bei Bayern ist vorbei", sagt der 33-Jährige auf einer Presskonferenz der polnischen Nationalmannschaft. Eine Aussage, die in der Fußballwelt einem Erdbeben gleicht.
Bislang war Lewandowski nicht der Mann der klaren Worte. Hier aber gibt es keine zwei Deutungen. Der beste Angreifer der modernen Bundesliga-Geschichte will nur noch weg. Obwohl er noch ein Jahr Vertrag hat.
FC Bayern hat keinen Ersatz für Robert Lewandowski
Genaugenommen ist nicht die Nachricht an sich das Erdbeben, sondern die Dringlichkeit, mit der sie eben von einem der Protagonisten ausgesprochen wurde. Warum jetzt, warum so?
Fakt ist: Robert Lewandowski wird die Bundesliga verlassen, wird nicht den nächsten Gerd-Müller-Rekord brechen und er wird nicht in Frieden von den Bayern gehen.
Die hatten in den letzten Wochen immer wieder auf den bestehenden Vertrag bis 2023 gepocht, insgeheim sich aber natürlich mit dem drohenden Abgang beschäftigt. Dabei waren sie aber, wie Uli Hoeneß erst kürzlich im Interview mit RTL/ntv verriet, an einem Punkt gescheitert.
Es gibt niemanden, der bei den Bayern sofort als Lewandowski-Ersatz einschlagen könnte. Ein Weg zurück für eine letzte Saison scheint aktuell jedoch ausgeschlossen.
So kippt jetzt also die Stimmung. Wie so oft bei den Bayern, die sich nie als Verkäuferklub verstanden haben und so auch nie die hohe Kunst des Abgangs eines Stars erlernen mussten. Die Bayern sind nicht der BVB, der Jahr für Jahr seine Schlüsselspieler an größere Vereine abgeben muss. Die Bayern sind die Bayern - Mia San Mia. Der größte und erfolgreichste Verein Deutschlands. Wieso sollte man den verlassen? Wenn es dann passiert, wird es meist dreckig.
Erinnerungen an Süle, Alaba und Kroos werden wach
So wie bei Niklas Süle, den es in diesem Sommer ablösefrei zu Borussia Dortmund zieht und der das mangelnde Vertrauen und die fehlende Wertschätzung als Gründe dafür heranführte. Und der letztendlich irgendwie auch in Unfrieden vom Verein schied. Süle war für das letzte Spiel in Wolfsburg nicht mehr für den Kader nominiert worden, dann doch und war trotzdem nicht mitgereist, weil er sich dafür nicht bereit fühlte. Beide Seiten agierten unglücklich, ein fader Beigeschmack blieb.
Weil es eben nicht das erste Mal war. Schon im Vorjahr hatte David Alaba die Bayern in Richtung Real Madrid verlassen, mit denen er erst am Samstag die Champions League gewinnen konnte. Er war auf der Suche nach einer neuen sportlichen Herausforderung und musste sich auf dem Weg dahin allerhand anhören.
Sein Berater Pini Zahavi, der Israeli vertritt auch Lewandowski, sei ein "geldgieriger Piranha", schleuderte ihm Uli Hoeneß entgegen und sorgte sicher nicht für einen Sinneswandel. Alaba ging, der Streit wurde beigelegt, aber ein fader Beigeschmack blieb.
Schon 2014 agierte der Rekordmeister nicht sonderlich souverän. Damals verließ der Weltmeister Toni Kroos die Bayern für nur 30 Millionen Euro. Sein Ziel: Real Madrid.
Dort stieg er zum erfolgreichsten deutschen Spieler der Champions-League-Geschichte auf. Die Bayern hatten ihn nicht mehr gewollt, zumindest nicht unter den Bedingungen, die Kroos damals im Kopf hatte.
Fehlende Wertschätzung beim FC Bayern ein Thema
"Im Nachhinein kann man sicher sagen, dass es der ein oder andere bereut hat, mich gehen lassen zu haben", erzählte Kroos 2020 im Interview mit "Eurosport".
"Auch wenn der FC Bayern das nicht gewohnt ist, dass ein Spieler ihn freiwillig verlässt, war's dann eben so", sagte Kroos und beklagte in anderen Interviews ebenfalls fehlende Wertschätzung abseits der finanziellen Dinge.
Auch bei Lewandowski liegen die Gründe auf der Hand. Das Thema natürlich auch hier: fehlende Wertschätzung. Genauer: Der fehlende Respekt der Vereinsführung, die hinter dem Rücken des Polen mit Erling Haaland verhandelt hat und dabei nicht einmal erfolgreich war. Lewandowski gefiel das überhaupt nicht.
Ein anderer Grund ist sicher die fehlende Anerkennung in der internationalen Welt des Sports. Umso besser Lewandowski und die Bayern wurden, umso bedeutungsloser wurden ihre nationalen Erfolge.
Der ohnehin wenig exzentrische Stürmer wurde international als Tormaschine anerkannt, aber eben nur als eine, die in der Bundesliga funktioniert. Mit den Bayern gegen international zweitklassige Mannschaften. Auch so ein Grund für eine Flucht.
Als Lewandowski am Sonntag in der Boxengasse bei Aston Martin steht, will er eigentlich woanders sein. Ein paar Meter weiter bei den großen Rennställen. Doch die hatten ihn in ihre Welt nicht eingeladen. Jetzt eben der Vettel-Stall - dabei will er doch aus Deutschland raus.
Stephan Uersfeld