Mit dem klaren Ziel, Eigengewächs Ansgar Knauff mehr Spielpraxis zu verschaffen, ließ sich der BVB im Winter auf einen 1,5-jährigen Leih-Deal mit Eintracht Frankfurt ein. Die ersten Eindrücke des Offensiv-Talents sind durchaus vielversprechend, SGE-Trainer Oliver Glasner erwartet von seinem neuen Schützling aber noch mehr.
Normalerweise zählt das Kopfballspiel nicht zu den Stärken eines 1,80 Meter großen Flügelflitzers.
Doch die perfekte Sprungtechnik, die Ansgar Knauff in der 17. Spielminute der Bundesliga-Partie zwischen Hertha BSC und Eintracht Frankfurt an den Tag legte, dürfte selbst erfahrene Mittelstürmer neidisch gemacht haben.
Mit seinem sehenswerten Treffer nach Flanke von Filip Kostic leitete Knauff am vorigen Samstag den überzeugenden 4:1 (1:0)-Sieg der Eintracht in Berlin ein.
Wie sehr sich der 20-Jährige nach einem persönlichen Erfolgserlebnis gesehnt haben muss, machten die Momente nach seinem Tor deutlich: Mit ausgestreckten Armen spurtete der Juniorennationalspieler los und rutschte schließlich mit Jubelschreien auf die Eckfahne zu.
"Es fühlt sich super an, es war ein tolles Spiel der gesamten Mannschaft, ich freue mich unglaublich über mein erstes Tor", strahlte er nach Spielende im Gespräch mit der "ARD".
Es war ein erstes Ausrufezeichen des hochveranlagten Youngsters, der sich in Frankfurt etablieren und für höhere Aufgaben empfehlen will. Oder besser gesagt: Für eine zweite Chance bei Borussia Dortmund.
Erst im Januar hatte Knauff den BVB verlassen und sich auf Leihbasis der Frankfurter Eintracht angeschlossen. Bei den Hessen erhoffte sich der Tempodribbler mehr Einsatzzeit auf hohem Niveau.
Warum er in der Hinserie in Dortmund ein wenig ins Hintertreffen geraten war, verriet der gebürtige Göttinger unlängst in einem Interview.
"Das lag sicherlich nicht am Trainer", stellte Knauff im Interview mit der "Frankfurter Rundschau" klar, die Schuld nicht bei Marco Rose zu sehen: "Der BVB hat einen topbesetzten Kader mit Topspielern. Es ist da immer schwierig, in diesem großen, breiten Kader auf viel Spielzeit zu kommen."
Nur fünf Mal hatte er bis zur Winterpause für die Borussia in der Bundesliga rangedurft - stets als Joker und nie länger als 45 Minuten. Zu wenig für Knauff, der im vergangenen Frühjahr in Dortmund noch einer der Shootingstars gewesen war.
Als die SGE-Verantwortlichen von der vertrackten Lage des Talents erfuhren, zögerten sie nicht lange und machten sowohl dem Spieler als auch seinem Stammverein eine Luftveränderung schmackhaft. Eine Leih-Gebühr von 400.000 Euro wurde vereinbart.
Alle Seiten hofften auf eine Win-Win-Win-Situation - Knauff auf mehr Spielzeit, Frankfurt auf neuen Offensiv-Schwung und der BVB auf die Weiterentwicklung seines ungeschliffenen Rohdiamanten. Und siehe da: Die ersten Wochen verliefen durchaus verheißungsvoll.
Dabei war es Frankfurt-Coach Oliver Glasner zunächst extrem wichtig gewesen, die Erwartungen an den Winter-Neuzugang nicht zu hoch zu schrauben.
"Ansgar hat jetzt natürlich das eine oder andere, das anders ist, weil wir mit einer Dreierkette spielen", warnte der Österreicher schon im Februar vor möglichen Anpassungsproblemen.
Freilich ist auch dem Übungsleiter seither nicht entgangen, dass Knauff von Woche zu Woche mutiger geworden ist - mit dem vorläufigen Höhepunkt in Berlin, als er die rechte Flanke unermüdlich bearbeitete.
Genau das hatte Glasner von ihm auch gefordert. "Wir möchten, dass er seine Stärken einsetzt. Sein Tempo, seine Tiefe, die er ins Spiel bringen kann. Er ist laufstark und attackiert die Räume hinter der Kette", zählte der Trainer Knauffs auffälligste Eigenschaften auf.
Mit seinem Plan, der vorsah, den Rechtsfuß behutsam an die Startelf heranzuführen, lag Glasner offenbar goldrichtig. Knauff scheint in Frankfurt angekommen zu sein und dem zuletzt nicht immer durchschlagskräftigen Team neue Impulse geben zu können. Eine Entwicklung, die in Dortmund wohlwollend zur Kenntnis genommen wird.
Vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Europa League am Mittwochabend hat sich Knauff bereits zu einem Hoffnungsträger der Frankfurter aufgeschwungen. Gegen Betis Sevilla (ab 18:45 Uhr im LIVE-Ticker und bei RTL+) winkt ihm erneut ein Platz in der Anfangsformation.
Seine Entscheidung für ein neues Abenteuer hat Knauff bislang jedenfalls nicht bereut. Als Rückschritt hat der 20-Jährige den Wechsel zur SGE ohnehin nie verstanden.
Über mögliche Qualitäts-Unterschiede zwischen seinen alten und seinen neuen Teamkollegen sagte er kürzlich: "Ich würde keinesfalls sagen, dass Eintracht die schwächere Mannschaft ist. Vom Niveau ist es top, das nimmt sich nicht viel."
Markige Worte, die belegen: Knauff sieht Eintracht Frankfurt nicht nur als Karriere-Sprungbrett, der U21-Nationalspieler hat richtig Bock auf den Verein. So kann es mit der angestrebten Win-Win-Win-Situation tatsächlich etwas werden.
Heiko Lütkehus