Am Donnerstagabend erfasste ein Erdbeben den FC Bayern: Geschockten Fans fehlten teilweise die Worte, angesichts des äußerst fragwürdigen Bildes, das die Führungsriege des deutschen Rekordmeisters auf der Jahreshauptversammlung abgab.
Dass der FC Bayern, der Vorzeige-Klub der deutschen - ja vielleicht sogar der europäischen - Fußball-Landschaft ist, ist ein Umstand, den der Verein aus München nur zu gerne selbst betont. Aus eigener Kraft und dem selbstredend dank hervorragender Arbeit prall gefüllten und viel beschrieenen Festgeldkonto konkurriert man mit von Investorengeldern geschwängerten und zum Starensemble hochgezüchteten Kontrahenten und Klubs, die als "Spielzeug" von Milliardären mit Mondbeträgen nur so um sich werfen.
Kein Wunder also, dass die Bosse an der Säbener Straße auch auf der Jahreshauptversammlung am Donnerstagabend versuchten, diesen Punkt gebetsmühlenartig hervorhoben.
Wer über den dreckigen Besen des Nachbarn lästert, sollte allerdings tunlichst darauf achten, dass seine eigene Vorfahrt gekehrt ist.
Das sehen offenbar auch die Anhänger der Bayern so. Selbst der verzweifelt wirkende Versuch von Präsident Herbert Hainer, die aufgrund der vom Klub weitestgehend totgeschwiegenen Katar-Problematik extrem angespannte Stimmung zu entschärfen, indem er die ach so böse Aktiengesellschaft Borussia Dortmund ins Feld führte, fand allerdings kaum Gehör - ebenso wenig der Verweis auf den enormen Schuldenberg des FC Barcelona.
Denn die Bosse des deutschen Branchenriesen unterschätzten am Donnerstagabend, dass die wenigen treuen Anhänger, die mitten in der Corona-Pandemie den Weg in den Münchner Audi Dome gefunden hatten, keineswegs auf Polemik und Freibier aus waren - dem Gros der Unterstützer ging es darum, Gehör zu finden.
Und genau in diesem Punkt muss man den Münchnern Versagen auf ganzer Linie attestieren. Dass das von den Fans initiierte Thema Beendigung des Sponsorings durch durchaus fragwürdige Millionen aus Katar die Tagesordnung beherrschen würde, kann den Verein nicht überrascht haben, dass sich die Fans mit dem Versuch, das Anliegen rüde ins Rahmenprogramm zu verbannen, nicht abwiegeln lassen werden ebenso - dennoch vermied man den Diskurs.
Den übelsten Nachgeschmack hinterlässt allerdings das Auftreten der Bayern-Bosse. Mit der Hybris eines CEOs im Gespräch mit Kleinanlegern wurde den eigenen Fans immer wieder ins Wort gefallen, bei eigener Gesprächsführung hingegen vehement auf das Rederecht und die Einhaltung der Höflichkeit gepocht. Vor allem Vizepräsident Dieter Mayer, der die zugegeben undankbare Aufgabe der Gesprächsführung während der Mitglieder-Anträge innehatte, stach hervor. Der Gipfel der Arroganz: Als Mayer für eine Aussage Applaus erhält, erstickt er diesen mit süffisantem Sarkasmus.
Kein besseres Bild gab Hainer ab, der erstmals wirklich im Bayern-Brennpunkt stehend, alle Sympathien verspielte. Als der Nachfolger von Uli Hoeneß die Versammlung kurz nach Mitternacht aufgrund der fortgeschrittenen Zeit beendete und den Mitgliedern im Saal damit schlicht den Mund verbot, eskalierte die Situation völlig. Mitglieder hielten Spontanreden, andere skandierten: "Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt."
Vielleicht, ganz vielleicht hätte man halt nicht zwei Stunden darin investieren sollen, mit dem prallen Trophäenschrank anzugeben. Vielleicht, ganz vielleicht hätte man die brisante Gesprächsführung lieber in die Hände des auf Funktionärsebene noch nicht durch die Arbeit in Großkonzernen gestählten Ex-Profis und heutigen Vorstandschefs Oliver Kahn legen sollen, der als einziger den Fans nicht von oben herab begegnete. Und vielleicht, ganz vielleicht hätte man nach Jahren der zumindest national völlig unangefochtenen Stellung diesmal den Gegner nicht unterschätzen sollen: Die eigenen Anhänger. Ja, ganz vielleicht hätte man das Desaster mit Ansage dann vermeiden können.
Marc Affeldt