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Viele strittige Szenen bei Frankfurt vs. Gladbach

Warum Kramers Schiri-Schelte verständlich ist

Viele strittige Szenen bei Eintracht Frankfurt vs. Gladbach
Viele strittige Szenen bei Eintracht Frankfurt vs. Gladbach
Foto: © Ulrich Hufnagel via www.imago-images.de
17. Dezember 2020, 14:29
sport.de
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Beim Spiel von Borussia Mönchengladbach bei Eintracht Frankfurt geht es hoch her, der Schiedsrichter hat viel Arbeit. Die Gemüter der Gäste erregt vor allem eine Szene, in der der VAR nicht eingreifen darf, obwohl nach einem Fehler des Unparteiischen ein Tor für die Hausherren fällt. "Collinas Erben" können den Gladbach-Frust nachvollziehen.

Eigentlich ist Christoph Kramer jemand, den nichts so schnell aus der Fassung bringt, auch keine Entscheidungen des Schiedsrichters. Am Dienstagabend aber, nach dem Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach (3:3), war er im Interview mit dem Sender "Sky" hörbar verärgert über den Unparteiischen.

"Das ist eine ganz klare Fehlentscheidung", sagte der Gladbacher zu jener Szene, die dem Tor zum 2:1 für die Eintracht vorausging. "Ich finde es eine Katastrophe." Der Frankfurter Kapitän David Abraham hatte am eigenen Strafraum einen Freistoß schnell ausgeführt, obwohl der Ball noch nicht ruhte. Doch Schiedsrichter Benjamin Cortus ließ weiterspielen, statt eine Wiederholung anzuordnen.

Nach zwei Zwischenstationen spielte Aymen Barkok den Ball steil auf André Silva, der seinen zweiten Treffer an diesem Abend erzielte. Kramer und Lars Stindl protestierten bei Cortus, auch Trainer Marco Rose beschwerte sich.

"Mir wurde die Szene zwei Millionen Mal in meiner Karriere abgepfiffen, bei uns hören zwei Spieler auf zu laufen", erklärte Kramer. "Ich bin auch jemand, der seine Freistöße gerne schnell ausführt. Aber wenn das Ding sich noch ein bisschen gedreht hat, wurde immer abgepfiffen."

Doch warum ließ der Schiedsrichter den Freistoß nicht wiederholen? Und weshalb griff der Video-Assistent hier nicht ein?

Dem VAR waren die Hände gebunden

Offenbar hatte weder der Unparteiische noch einer seiner Assistenten oder der Vierte Offizielle mitbekommen, dass der Ball bei der Ausführung noch rollte. Eine andere Erklärung kommt nicht in Betracht, denn einen Ermessensspielraum gibt es in diesem Fall nicht: "Der Ball muss ruhig am Boden liegen", heißt es unmissverständlich in der Regel 13, die sich mit der Ausführung von Freistößen befasst.

Selbst wenn er sich nur minimal bewegt, muss es eine Wiederholung geben. Doch obwohl hier in der Folge ein Tor fiel, durfte der VAR den Unparteiischen nicht auf sein Versäumnis hinweisen. So ist es in den Regularien festgelegt.

Konkret heißt es im Handbuch des International Football Association Board (Ifab) für die Video-Assistenten: "Im Allgemeinen werden fehlerhaft ausgeführte Spielfortsetzungen – beispielsweise ein Freistoß, bei dem der Ball nicht geruht hat, oder ein falscher Einwurf – nicht überprüft." 

Denn zum einen handle es sich dabei um Entscheidungen, die nicht spielverändernd seien und vom Schiedsrichter selbst erkannt werden sollten. Zum anderen, so das Ifab, "würde es den Fußball zerstören, wenn ausnahmslos jeder potenzielle Fehler, der zu einem Tor oder Strafstoß führen könnte, überprüft werden würde".

Schließlich wäre das Spiel dann noch häufiger unterbrochen, damit sich erst der VAR und danach der Schiedsrichter ein Bild machen können.

Eine Rudelbildung und drei Karten

Deshalb wird bei Freistößen, Eckstößen, Einwürfen und Abstößen weder die Berechtigung noch die Art und Weise der Ausführung überprüft. Nur beim Strafstoß schaut der VAR genauer hin. Dieser Ansatz ist grundsätzlich sinnvoll, kann im konkreten Fall aber auch für Kopfschütteln sorgen – wie bei Christoph Kramer, der es für "absoluten Wahnsinn" hielt, dass dem Video-Assistenten die Hände gebunden waren. In der Tat ist es schwer zu verstehen, warum etwa ein ungeahndetes klares Foul bei der Balleroberung der angreifenden Mannschaft im Falle einer kurz darauf erfolgenden Torerzielung zu einer Review-Empfehlung des VAR führen würde, während dieser nicht eingreifen darf, wenn der Ball bei der Freistoßausführung nicht geruht hat.

Es war nicht die einzige Szene, in der Benjamin Cortus in der Kritik stand, und tatsächlich wirkte der 39-Jährige nicht immer glücklich in seinen Entscheidungen. Die Akteure machten es ihm phasenweise aber auch schwer. So etwa in der 80. Minute, als der Gladbacher Breel Embolo sich erst mit grenzwertigem Körpereinsatz gegen Sebastian Rode durchsetzte, bevor gleich drei Frankfurter ihn nacheinander mit unfairen Mitteln zu bremsen versuchten.

Erst dem dritten Spieler der Eintracht, David Abraham, gelang das, woraufhin eine Rudelbildung entstand, bei der Rode gegen Embolo stänkerte, was dieser mit einem energischen Schubser beantwortete, der Rode zu Boden gehen ließ.

Mit Gelb war Embolo gut bedient

Der Schiedsrichter bewahrte den Überblick: Der bereits verwarnte Abraham musste mit Gelb-Rot das Feld räumen, was angesichts der Tatsache, dass sein Einsatz zwar nicht hart, aber ausschließlich gegnerorientiert war, keinerlei Interesse am Ball erkennen ließ und einen aussichtsreichen Angriff der Gäste beendete, vertretbar war. Embolo und Rode sahen jeweils Gelb, womit sich der Gladbacher gut bedient fühlen durfte – seine Handgreiflichkeit war an der Grenze zur Tätlichkeit –, während sie für den Frankfurter eine vergleichsweise harte Entscheidung war.

Eine Differenzierung im Strafmaß wäre hier die bessere Lösung gewesen, wobei Rot für Embolo und Gelb für Rode genauso in Betracht gekommen wäre wie Gelb hüben und keine persönliche Strafe drüben.

Goldrichtig lag der Unparteiische dagegen bei beiden Elfmeterentscheidungen: Das Handspiel des Gladbachers Stefan Lainer nach 21 Minuten mit erhobenem Arm war genauso ahndungswürdig wie das Foul, das Barkok wenige Minuten vor dem Abpfiff an Embolo beging, als er in der Schussbewegung seinen Kontrahenten, der ihm den Ball weggespitzelt hatte, am Fuß traf.

Ein weiterer Strafstoß für die Eintracht wurde auf Intervention des VAR in der 78. Minute in einen Freistoß umgewandelt, weil sich das Foulspiel von Denis Zakaria an Dominik Kohr knapp außerhalb des Strafraums zugetragen hatte.

Was sonst noch wichtig war:

  •  Wenn ein Spieler klar erkennbar zum Ball geht, um ihn zu spielen, und die Kugel dann beispielsweise vom Fuß an den abgespreizten Arm springt, liegt kein ahndungswürdiges Handspiel vor. So wollen es die Regeln, denn in einer solchen Situation ist es gewiss nicht das Ziel des Spielers, den Ball aufzuhalten. Wenn er dagegen mit abgespreiztem Arm in einen Zweikampf geht und der Ball dann von einem gegnerischen Körperteil an seinen Arm prallt, ist das Handspiel strafbar. Und da der Ball in der 26. Minute der Partie FC Schalke 04 – SC Freiburg (0:2) im Schalker Strafraum von der Hacke des Freiburgers Nils Petersen an den ausgestreckten Arm von Salif Sané hüpfte und nicht von Sanés eigenem Fuß, wäre eigentlich ein Strafstoß fällig gewesen. Doch Schiedsrichter Sven Jablonski ließ weiterspielen, und auch der VAR griff nicht ein, was überraschend war.
  • In der Begegnung 1. FC Köln - Bayer 04 Leverkusen (0:4) wiederum gab es eine Intervention des Video-Assistenten, mit der man nicht unbedingt rechnen konnte. Denn als Schiedsrichter Tobias Stieler nach 35 Minuten das Foul von Jannes Horn am Leverkusener Leon Bailey kurz vor dem Kölner Strafraum nicht als „Notbremse“ bewertete und deshalb lediglich die Gelbe Karte zeigte, handelte er zumindest nicht klar und offensichtlich falsch. Schließlich hätte Horns Mitspieler Sebastiaan Bornauw vermutlich noch eingreifen können. Trotzdem empfahl der VAR dem Unparteiischen ein On-Field-Review. Als dieser auf das Feld zurückkehrte, blieb er jedoch bei seiner Entscheidung. Und das war nachvollziehbar.

Alex Feuerherdt

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