Elmar Paulke ist die deutsche Darts-Stimme. Ab Donnerstag berichtet der 46-Jährige wieder für "Sport1" von der Weltmeisterschaft aus dem legendären Ally Pally. Von der ersten Runde bis zum großen Finale überträgt der TV-Sender insgesamt 90 Stunden live. Im exklusiven sport.de-Interview spricht Paulke über die Chancen der deutschen Teilnehmer Max Hopp und Dragutin Horvat in London, einen möglichen Darts-Boom hierzulande und die Rolle von Fitness-Training für die Profis.
Herr Paulke, Max Hopp ist spätestens seit dem Junioren-Weltmeister-Titel von 2015 Deutschlands großer Darts-Hoffnungsträger. Startet er nun auch bei der Weltmeisterschaft durch?
Er hat in der ersten Runde mit Vincent van der Voort einen Gegner, dem er bei der WM zuletzt unterlag. Es ist nicht einfach, gegen so einen etablierten Spieler zu bestehen, der einmal zu den Top -15 der Welt gehörte. Sensationell wäre, wenn Hopp das Achtelfinale erreicht. Das gelang einem Deutschen noch nie.
Wie steht es um die Chancen des zweiten deutschen Teilnehmers Dragutin Horvat?
Er hat in diesen diesem Jahr einige European-Turniere gespielt, zuletzt einmal das Viertelfinale erreicht und zwei Spieler aus den Top-20 geschlagen. Bei der Weltmeisterschaft muss er zunächst die Vorrunde spielen und würde dann auf Simon Whitlock treffen. Dort hätte er eine Chance. Allerdings ist er kein Profi und spielt nun seine erste Weltmeisterschaft. Es bleibt abzuwarten, wie er mit der großen Bühne und dem lauten Publikum umgeht.
Hopp steht an Position 38 der Weltrangliste und ist Profi. Wie gut kann ein Darts-Spieler seiner Qualität von dem Sport leben?
Er ist auf der Tour unterwegs und hat Sponsoren. Neben dem Preisgeld besteht die Möglichkeit, sich von Vereinen oder Firmen buchen zu lassen. Letztes Jahr war ich zum Beispiel zusammen mit Max bei einem börsennotierten Finanz-Unternehmen aus Frankfurt. Dort haben wir zusammen mit den Mitarbeitern und Kunden Darts gespielt. So kann sich ein Darts-Spieler etwas dazu verdienen. Trotzdem ist alles sehr knapp kalkuliert. Um richtig gut vom Darts zu leben, muss man schon in die Top 20 kommen.
Wie viel Geld verdienen die Top-Spieler?
Der Weltranglisten-Erste Michael van Gerwen hat in den letzten zwei Jahren mehr als 2,5 Millionen Euro durch Preisgelder verdient. Für Einladungen bei Firmen kassiert er rund 10.000 Euro pro Abend. Hinzu kommen die Werbeverträge. Die Stars sind oft beteiligt an dem Verkauf der Darts-Pfeile. Es gibt übrigens auch Max Hopp Darts. Aber natürlich werden die nicht so häufig verkauft wie die Darts-Pfeile von einem Superstar wie Phil Taylor.
Jeder Spieler hat also seine eigenen Pfeile. Inwiefern unterscheiden sich diese überhaupt?
Die Pfeile werden genau auf den jeweiligen Spieler zugeschnitten. Wie lang sollen sie sein? Wie schwer sollen sie sein? Was für ein Flight wird benutzt? Daran wird lange getüftelt. Außenstehende mögen glauben: Ob ein Dart nun 22 oder 25 Gramm wiegt, spielt keine Rolle! Doch die Profis sind so auf ihren Wurf geeicht, dass jedes Gramm entscheidend ist.
Zurück zu Max Hopp: Wo sehen Sie seine Stärken?
Seine große Stärke ist, dass er es genießt, auf der Bühne zu stehen. Er hatte noch nie ein Problem damit, wenn 3000 oder 4000 Zuschauer auf ihn blicken. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es gibt Spieler, die ohne Zuschauer die besten Gegner schlagen, aber auf der großen Bühne versagen. Das Problem von Max Hopp ist allerdings, dass er momentan als das deutsche Aushängeschild unseres Sports gilt. Der Erwartungsdruck ist hoch. Viele Menschen denken hierzulande, er müsste langsam Weltmeister werden. Dabei ist das völlig unrealistisch. Von dieser Erwartungshaltung muss er sich freimachen.
Darts hat in Deutschland viele Anhänger. PDC-Chef Barry Hearn behauptet sogar, wenn Hopp unter die besten 16 der Welt kommt, gäbe es einen Boom wie im Tennis zu Zeiten von Boris Becker. Ist das wirklich realistisch?
Nein. Einen Boom wie im Tennis wird es nicht geben. Aber wir haben bei der WM auf "Sport1" bereits jetzt Einschaltquoten von zwei Millionen Zuschauern. Nächstes Jahr besuchen rund 200.000 die Darts-Events in Deutschland. Das Besondere ist, dass das Interesse am Darts entstand, obwohl wir gar keinen deutschen Top-Spieler haben. Das ist erstaunlich.
Was würde passieren, wenn wir in Deutschland einen Top-Spieler hätten?
Wir merken an unseren Quoten, dass deutsche Spieler das Interesse ansteigen lassen. Wenn Hopp auch nur die zweite Runde erreicht, schauen bereits deutlich mehr Menschen zu. Würde Hopp einmal das WM-Halbfinale erreichen und gegen Phil Taylor spielent, würden sich unsere Quoten wahrscheinlich sogar verdoppeln.
In England gilt Darts als die zweitbeliebteste Sportart nach Fußball. Gibt es noch andere Länder, in denen die Leute ähnlich Darts-verrückt sind?
In den Niederlanden. Nicht nur wegen Michael van Gerwen, der eine unglaubliche Erfolgsserie hat. Das ging bereits 1998 los, als Raymond van Barneveld überraschend die Weltmeisterschaft gewann. Dort entstand ein riesiger Boom. Er wurde von 15.000 Fans am Flughafen empfangen. Die Begeisterung hält bis heute an. Für den Premier League Abend in Rotterdam waren 10.000 Tickets in 48 Minuten weg. Ansonsten ist Darts natürlich auch in Schottland, Wales und Irland bekannt. Dann kommt schon der deutsche Markt. 2018 soll es sogar einen Premier League Abend in Deutschland geben.
Kritische Stimmen behaupten, Darts sei überhaupt kein Sport. Andererseits machen nahezu alle Darts-Profis Fitness-Training. Was ist die Wahrheit?
Die Athletik spielt im Darts keine entscheidende Rolle. Viele haben ein kleines Bäuchlein. Niemand muss allzu sehr auf die Ernährung achten. Trotzdem muss ein Darts-Profi fit sein. Immerhin steht man zweieinhalb Stunden auf einer Bühne, auf der es rund 25 Grad warm ist. Das Wichtigste aber ist die mentale Stärke. Jeder ist dazu in der Lage, einen Dart über 2,37 Meter zu werfen. Aber nur wenige sind fähig, in den entscheidenden Momentan den schmalen Schlitz zu treffen.
Zur Person: Elmar Paulke kommentiert seit der Weltmeisterschaft 2005 die Darts-Übertragungen auf "Sport1". Zudem ist Paulke als Buchautor tätig. Zuletzt erschien sein Werk „Game on! Die verrückte Welt des Darts“. Der gebürtige Bergisch Gladbacher arbeitet darüber hinaus als Tennis-, Golf- und Leichtathletik-Experte.
Das Interview führte Oliver Jensen
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