Als Peter Sippel seine Pfeife am Sonntag ein letztes Mal zum Mund führt, da ist klar: Rasenballsport Leipzig ist aufgestiegen. Was bedeutet das für die Fans? Ein Kommentar.
"Zeitenwende", "Reagenzglasaufstieg", "Traditionsbruch". Alles Schlagworte, die in Zusammenhang mit den sportlichen Aufstiegen von RB ebenso alt sind wie die Debatte über das Engagement Red Bulls in Leipzig selbst. Der Aufstieg in die erste Bundesliga dürfte der Auseinandersetzung neue Nahrung geben. Möglicherweise wird sie emotionaler werden, da die öffentliche Wahrnehmung noch einmal steigen wird. Die Fans sind gefordert.
Denn eben diese Fans sind es, die den rasanten Aufstieg am deutlichsten kritisieren. Für viele Anhänger ist das Engagement Red Bulls eine neue Dimension des modernen Fußballs. Für sie verbergen sich hinter dem Begriff verschiedene Entwicklungen. Im Wesentlichen geht es dabei um den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen in den Verbänden und Vereinen immer weniger um die Interessen der Fans kümmern. Die Fans haben das Gefühl, dass sie immer wieder gegenüber Sponsoren und Fernsehsendern zurückstecken müssen. Insofern ist das Engagement des Getränkeriesen für viele Fans eine neue Stufe dieser Entwicklung. Ob dem so ist, und ob die finanziellen Zuwendungen anderer Sponsoren tatsächlich etwas Anderes sind, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Die Argumente sind ausgetauscht.
Kreativ oder geschmacklos? Alles ist dabei
Unbestritten sind die Roten Bullen Teil einer Entwicklung, in deren Zuge der Fußball immer mehr gewissen Zwängen der Kommerzialisierung folgt. Dabei ist jedem Fußballfan freigestellt, sich seine Meinung zu bilden. Diese Entwicklung kann verteufelt, begrüßt, ignoriert oder vernünftig eingeordnet werden. Die Fanszenen täten gut daran, die Entwicklung vernünftig einzuordnen und den Verein RB Leipzig nicht losgelöst von den Entwicklungen im gesamten Fußballgeschäft zu betrachten. Denn dann bietet der Aufstieg der Leipziger auch Chancen für die Fanszenen.
Dass der Grat zwischen differenzierter Kritik und unsachlicher Beleidigung schmal ist, beweisen verschiedene Beispiele. Kürzlich meldeten sich Ultras des SC Freiburg mit einer sachlichen und fundierten Kritik im Vorfeld der Partie ihres Sportclubs gegen die Rasenballisten zu Wort. Während des Spiels zeigte dann eine andere Ultragruppe der Freiburger, dass es auch anders geht. Der SC Freiburg distanzierte sich im Nachhinein völlig zurecht von einem sexistischen Spruchband. Die Liste der Protestformen ist lang. Ebenso wie die Liste negativer und positiver Beispiele. Sie beinhaltet kreative Aktionen und geschmacklose Beleidigungen.
Besonders zahlreich und besonders laut
Und eben dort liegt die angesprochene Chance für die Fans. Auf jeden Bundesligisten warten in der kommenden Saison zwei Duelle gegen den Bundesliganeuling. In diesen Partien haben die Fans die Chance zu zeigen, was den eigenen Verein – aus ihrer Sicht – von den Leipzigern unterscheidet. Denn es gibt Unterschiede. Nun liegt es an den Fans, diese zu betonen. Einige Fanszenen werden – wie bereits geschehen – einen Boykott des Spiels versuchen. Doch ob das jemanden interessiert? Es ist zu hoffen, dass der Großteil sich für einen anderen Weg entscheidet. Den kreativen Weg. Diese Fans werden vielleicht besonders zahlreich nach Leipzig fahren, besonders viele und große Fahnen mitnehmen und besonders laut singen.
RB wird sich auch kritischen Äußerungen – solange sie im Rahmen bleiben – stellen müssen. Dass kritische Banner den Fans am Stadiontor abgenommen wurden, hat man immer wieder gehört. Jedoch gehört auch das zur Bundesliga. Die Leipziger Verantwortlichen werden das lernen. Doch ebenso werden die Fans einen Umgang mit RB lernen müssen, ohne ihre Meinung zu vergessen. Das werden sie. Hoffentlich kreativ und bunt statt niveaulos und plump.
David Büchler