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Lückenkemper exklusiv: "Das war unfassbar genial!"

Gina Lückenkemper träumt schon von der WM in London
Gina Lückenkemper träumt schon von der WM in London
Foto: © Julia Rahn
12. Juli 2017, 18:11
sport.de
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Gina Lückenkemper ist die schnellste Frau Deutschlands und aktuell die zweitschnellste Frau Europas. Ihre Fabelzeit über 11,01 Sekunden im 100-Meter-Vorlauf am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften Erfurt soll aber längst nicht alles gewesen sein. 

sport.de sprach exklusiv mit der 20-Jährigen über den großen Traum von der 10 vor dem Komma, die bevorstehende WM in London und die immer größer werdende Popularität in Deutschland.  

Frau Lückenkemper, die wichtigste Frage vorab: Wie geht es Ihnen gesundheitlich, nachdem Sie am Sonntag Ihren Start über die 200 Meter bei der DM in Erfurt abgesagt hatten?

Gina Lückenkemper: Ich bin am Samstag über die 100 Meter aus dem Block rausgefallen und zunächst so ein bisschen rumgestolpert. Als sich am Abend dann das Adrenalin aus dem Körper verabschiedete, hatte ich extreme Schmerzen im Fuß im Bereich der Achillessehne. Ich habe mich am Sonntag im Stadion aber direkt behandeln lassen und habe auch mit dem Neuroathletik-Trainer Lars Lienard zusammengearbeitet, sodass ich seit Sonntagabend schon wieder beschwerdefrei unterwegs bin.

Was ist im Finallauf genau passiert, dass die auf den ersten zehn Metern aus dem Gleichgewicht gekommen sind?

Ich werde meine Fußspitze einfach nicht richtig angezogen haben. So genaue Erinnerungen habe ich aber auch nicht mehr daran. Wer in so einem Lauf viel nachdenkt, hat ein Problem! Das habe ich in manchen Rennen getan, das war dann nicht so gut! Zum Glück habe ich mich schnell wieder gefangen und konnte dann schnell weiterrennen.

Am Ende war es ein sehr überlegener Sieg und Ihr erster Titel über die 100 Meter. Überwiegt letztlich die Freude über den Titel oder doch die Enttäuschung, dass die Finalzeit von 11,10 Sekunden nicht an die des herausragenden Vorlaufs heranreichte?

Die Freude über den Titel hat auf jeden Fall überwogen! Ok, wenn ich den den Strauchler nicht gehabt hätte, das wissen wir alle, dann wäre es noch mal etwas schneller gewesen. Es hat einfach noch nicht sein sollen mit einer schnelleren Zeit.

Der Traum von der 10 vor dem Komma lebt somit weiterhin...

Auf jeden Fall!

11,01 Sekunden und persönliche Bestleistung waren es im Vorlauf. Hatte sich dieser tolle Lauf im Vorfeld schon angedeutet oder kam die Zeit für Sie selbst auch überraschend?

Ich habe mich an dem Wochenende schon sehr gut gefühlt. Dennoch muss ich eingestehen, dass ich selbst mit so einer Zeit nicht gerechnet habe und erst recht nicht im Vorlauf. Ich hatte da eigentlich mit einer 11,20er-Zeit gerechnet. Mein Coach Uli Kunst genauso. Dass es direkt so schnell wird, das hatten wir beide so nicht geplant.

Welche Reaktionen auf diesen Fabellauf haben Sie vor Ort im Stadion erfahren? Ihr Rennen war ja eines der großen Highlights vom Wochenende in Erfurt.

Das war unfassbar genial, weil die Leute alle komplett ausgeflippt sind. Die Leute haben sich alle mit mir gefreut, es herrschte eine Wahnsinnsstimmung im Stadion. Nach dem 100-Meter-Finale sind noch viele Zuschauer dageblieben und haben mit mir Laola-Wellen gemacht. Das war echt ein sauschönes Gefühl, dass die Leute das so mitgemacht haben!

Welche Bedeutung hat dieser erste deutsche Meistertitel über 100 Meter für Sie? Wenn man über Deutschland hinausschaut, wird es aufgrund der enormen Konkurrenz aus Übersee realistisch gesehen sehr schwierig, internationale Medaillen zu sammeln.

Deutsche Meisterschaften sind für mich schon etwas ganz Besonderes! Wir können uns da alle gemeinsam auf einer nationalen Bühne präsentieren. Gerade im Frauensprint ist der Titel sehr bedeutend, weil wir hier im Moment einfach ein enorm hohes Niveau haben. Wir haben viele starke Sprinterinnen, was sich super auf unsere Staffel auswirkt. Auf diesem Niveau dann den Deutschen Meistertitel nach Hause zu fahren, ist schon etwas ganz Besonderes! Ich bin sehr froh, dass ich dieses Ziel erreicht habe.

Wie sieht Ihr weiterer Zeitplan auf dem Weg zu den Weltmeisterschaften aus?

Ich habe erst einmal ein paar Tage von meinem Trainer freibekommen. Mir juckt es aber schon wieder ein bisschen in den Fingern, sodass ich wohl ein bisschen ins Fitnessstudio gehen werde. Wir haben auch vor den Deutschen Meisterschaften gemerkt, dass wir mit so einer Auszeit gut gefahren sind.

Die nächsten Wochen werden eh anstrengend genug. Ich mache dann in den nächsten Tagen einige lockere Trainingseinheiten in Dortmund, wo wir uns die Technik noch einmal genauer anschauen. Nächste Woche Montag geht es in die Schweiz zu einem Wettkampf. Von da an geht es am 19. Juli direkt nach Kienbaum ins Trainingslager mit der Nationalstaffel. Dort werden wir uns intensiv auf die WM in London vorbereiten. Da geht es vor allem um Staffeltraining, Startanalysen und Techniktraining.

In der aktuellen Weltjahresbestenliste werden Sie auf Rang 16 geführt. Eine sehr beachtliche Leistung für eine deutsche Sprinterin. Wie weit kann es in London über die 100 Meter nach vorne gehen?

Ein realistisches Ziel könnte das Halbfinale über 100 Meter sein. Wenn ich da fehlerlos bleibe und so laufe wie in Erfurt, sollte das Halbfinale auf jeden Fall drin sein. Alles weitere wäre glaube ich ein bisschen hochgegriffen. Ein Finale über 100 Meter wäre der totale Wahnsinn! Aber da muss ich realistisch bleiben. Dazu fehlt im Moment noch ein bisschen. Aber ich habe zum Glück noch ein paar Jahre im Frauensprint, ich bin ja noch jung (lacht). In Zukunft kann ein Finale mal drin sein, im Moment ist es noch ein bisschen früh.

26 Jahre ist es her, dass zum letzten Mal eine deutsche Sprinterin unter elf Sekunden gelaufen ist. Beschreiben Sie noch einmal mit eigenen Worten, welche Bedeutung diese Schallmauer für Sie hat.

Die erste Schallmauer ist im Frauensprint die Zwölf-Sekunden-Marke. Nachdem ich das erreicht hatte, träumt man automatisch davon, diese Zehn irgendwann vor das Komma zu bekommen. Es gibt nicht viele, die das schaffen. Da sind wir dann wirklich auf Weltklasse-Niveau. Wir sind da auf einem guten Weg. Auch die anderen DLV-Läuferinnen brettern eine starke Zeit nach der nächsten auf die Bahn. Tatjana Pinto ist ja sogar schon eine 11,00 gelaufen.
Man darf einfach nicht zu viel über diese Marke nachdenken, sondern muss es am Ende einfach machen. Es hört sich aber immer so viel leichter an, als es letztlich leider ist.

Zuletzt hatten Sie am Samstagabend ein großes Live-Interview im "ZDF-Sportstudio". Wie gefallen Ihnen solche Auftritte in der Öffentlichkeit?

Ich mache sowas echt gerne und habe da Spaß dran! Ich rede nun mal ganz gerne, wie man vielleicht auch feststellt. Ich finde solche Auftritte immer ganz witzig und empfinde das auch nicht als Stress oder Druck. Von daher habe ich an sowas meine Freude.

Das Interview führte Mats-Yannick Roth

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