Er ist derzeit wohl das bekannteste Gesicht des deutschen Handballs. Die siegreiche Europameisterschaft hat Andreas Wolff zum Star gemacht.
Am Sonntag sorgte er persönlich dafür, dass der Triple-Traum des THW Kiel weiterlebt. Mit seinen 25 Paraden sicherte er dem THW Kiel den 24:23-Derbysieg gegen Meisterschaftskonkurrent SG Flensburg-Handewitt. Im exklusiven sport.de-Interview spricht Andreas Wolff über den spektakulären Derbysieg, die Konkurrenzsituation unter Torhütern und seine Rolle in der Öffentlichkeit.
Herr Wolff, wie haben Sie das Nordderby erlebt?
Andreas Wolff: Das war das beste Handballspiel der Welt! Die Stimmung war elektrisierend. Ich glaube, in der ganzen Welt gibt es sonst kein Duell mit solch einer Stimmung. Nach 27 Minuten lagen wir mit 8:14 zurück. Aber wir haben bewiesen, dass man den THW Kiel niemals abschreiben darf. Wir wurden immer sicherer, während Flensburg die Souveränität verlor.
Sie haben 13 Minuten kein Gegentor zugelassen. So etwas ist im Handball sehr selten. Fühlt man sich da praktisch unbezwingbar?
Das Wichtigste ist, einfach hochkonzentriert zu bleiben. Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie lange kein Gegentor fiel. Meine Abwehr hat richtig gut gearbeitet, sodass ich leichtes Spiel hatte.
Wie wichtig war dieser Sieg im Kampf um die Meisterschaft?
Das war das wichtigste Spiel des Jahres. Wir haben diese Saison bereits ein Spiel verloren, Flensburg hatte das noch nicht. Hätten wir das Derby verloren, wäre es mit der Meisterschaft ganz schwierig geworden.
Die vergangenen drei Spielzeiten haben Sie beim Mittelklasseverein HSG Wetzlar verbracht. Nun sind Sie beim Rekordmeister. Wie sehr hat sich Ihr Leben dadurch verändert?
Der Druck vor einem Spiel ist ganz anders. Mit Wetzlar wollten wir die Spiele gewinnen, um nicht in den Abstiegskampf zu geraten. Das ist auch wichtig. Aber hier geht es darum, Titel zu gewinnen. Man ist in fast jedem Spiel der große Favorit und muss zeigen, dass es gegen einen nichts zu holen gibt. Jeder erwartet großartige Leistungen.
Die hohe Anzahl der Spiele ist für die meisten Neuzugänge eine neue Erfahrung – auch für Sie. Aufgrund der Bundesliga, des DHB-Pokals und der Champions League liegen meist nur wenige Tage zwischen den Spielen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Es ist für viele ungewohnt, wenn teilweise nur 48 Stunden zwischen einem Champions-League-Spiel und einem Bundesligaspiel liegen. Da kann ich den Verantwortlichen nur sagen: Glückwunsch zu dem tollen Spielplan. So etwas macht den Handball ein Stück weit kaputt.
Inwiefern?
Wenn man alle zwei Tage ein Spiel hat, ist das ein ganz schöner Krampf. Die Zuschauer gehen nach Hause, sind enttäuscht und sagen: Das war kein tolles Spiel. Der Spielplan ist insgesamt merkwürdig. Im Oktober hatten wir zum Beispiel neun Spiele, davon sieben auswärts.
Sie gelten als der wohl beste Torwart Deutschlands. Bei der HSG Wetzlar waren Sie als Nummer 1 gesetzt. Nun spielen Sie in Kiel und teilen sich die Spielzeit mit dem Weltklasse-Torhüter Niklas Landin. Wie gehen Sie mit dieser Rotation um?
Ich empfinde die Situation als großartig. Wie gesagt: Der Siegesdruck ist beim THW Kiel riesengroß. Zwei starke Torhüter zu haben, mindert die Drucksituation etwas. Ich weiß, dass nicht alles an mir hängt. Wenn ich einmal nicht fit bin, schlecht geschlafen oder einfach einen schlechten Tag habe, muss ich keine Angst haben, dass wegen meiner Person die Meisterschaft steht und fällt. Niklas ist genauso in der Lage, die Spiele zu gewinnen. Zudem harmonieren wir gut als Duo.
Sie gelten als ein impulsiver Torhüter, der sich viel bewegt und für einige Überraschungsmomente sorgt. Was können Sie von Ihrem Kollegen Niklas Landin lernen?
Das Gegenteil: Niklas bringt sehr viel Ruhe ein und hat immer ein genaues Gefühl für den Raum.
Wonach wird entschieden, ob Sie oder Niklas Landin im Tor steht?
Ich glaube, das entscheidet unser Trailer Alfreð Gíslason aus dem Bauch heraus. Manchmal weiß ich am morgen des Spiels selber noch nicht, wer im Tor steht. Letztendlich ist es mir auch egal...
… Egal? Das ist bei einem ehrgeizigen Torhüter wie Ihnen schwer vorstellbar...
Doch, wirklich. Ich weiß, dass letztendlich jeder Torhüter gebraucht wird. Es gab bereits Spiele wie zum Beispiel gegen Paris, als ich später reinkam und dem Team unbedingt helfen musste. Ich bin über die Jahre gereift und habe im Verein und in der Nationalmannschaft gemerkt, wie wichtig ein gutes Gespann ist. Jeder Torhüter sollte sich auf die eigene Leistung konzentrieren. Es bringt nichts, wenn man missgünstig auf der Bank sitzt und hofft, dass der andere schlecht spielt und man selber mehr Einsätze bekommt.
Seit der Europameisterschaft sind Sie der berühmteste Handballspieler Deutschlands. Seit dem sind Sie in der Öffentlichkeit sehr präsent. Sie waren zum Beispiel bei "Schlag den Star", hatten für den Fernsehsender "Sky" ein Treffen mit Manuel Neuer und waren beim "Aktuellen Sportstudio". Macht Ihnen das Spaß oder sehen Sie es vielmehr als Ihre Pflicht?
Teils, teils. In den sozialen Medien gibt es viele Kritiker, die behaupten, ich sei nur noch vor der Kamera. Aber das ist ein Los, das ich seit der Europameisterschaft gezogen habe. Show-Auftritte wie bei "Schlag den Star" sind unheimlich wichtig für den Handball. Unser Sport braucht diese Medienpräsenz. Dadurch hat der Handball nicht nur Stefan Kretzschmar als Gesicht, sondern vielleicht auch meins. Möglicherweise kann man durch solche Sendungen 500 oder 1000 Fans gewinnen, die mich sympathisch finden und danach ein Handballspiel schauen.
Das heißt, Sie möchten auch zukünftig in den Medien so präsent sein?
Ich denke, dass ich diese Rolle ganz gut angenommen habe. Das gilt es zu pflegen. Gleichwohl darf es nicht zu viel werden. Hier beim THW Kiel habe ich weniger Zeit für öffentliche Auftritte als in Wetzlar. Der Spielplan ist eben deutlich voller.
ZUR PERSON: Im Sommer wechselte der 25-jährige Andreas Wolff von der HSG Wetzlar zum deutschen Rekordmeister THW Kiel. Gleich bei der ersten Pressekonferenz bewies der Torhüter, kein Mann der leisen Töne zu sein. "Ich will das Triple gewinnen", sagte der Nationaltorhüter. Mit seinem THW siegte er am Sonntag im Nordschlager gegen die SG Flensburg-Handewitt, gegen die die Zebras im November noch zwei weitere Male in der Champions League antreten werden.
Das Gespräch führte Oliver Jensen

























